Sie ist erst 27 Jahre alt. Aber was sie schon alles durchgemacht hat, reicht für ein ganzes Leben. Weil sie mit einem Gendefekt zur Welt gekommen ist, ist ihre Lunge im Laufe der Jahre immer schwächer geworden. So schwach, dass Monique ohne ein Spenderorgan nicht überlebt hätte. Heute geht es ihr den Umständen entsprechend gut. Wir haben mit ihr über Alltag, Krankheit und Facebook gesprochen.
Lebensritter: Frau Rohe, wie gestaltet sich Ihr Leben heute?
Monique Rohe: Ich versuche, wieder zu Kräften zu kommen. Mit meiner Mutter gehe ich dreimal die Woche ins Fitnessstudio und mache leichte Übungen. Ich gehe einkaufen, aber kann nichts Schweres tragen – das sind noch die Nachwehen der Operation, mir wurden ja die Rippen gebrochen und ich lag fast sechs Wochen auf der Intensivstation, da braucht der Körper einfach seine Zeit. Ich trage jedes Mal, wenn ich rausgehe und auf andere Leute treffen könnte, einen Mundschutz, damit ich mich möglichst gut schützen kann – man weiß ja nicht, wer gerade erkältet ist. Das ist nicht immer einfach, denn es passiert häufiger, dass die Leute tuscheln oder erstmal erstarren und mit dem Sprechen aufhören, wenn sie mich sehen. Diese Reaktion verletzt mich, aber man gewöhnt sich dran – schließlich wäre ohne Mundschutz rauszugehen gar keine Alternative für mich. Das wäre zu gefährlich. Mit meinem Mundschutz habe ich jetzt auch das erste Mal seit Jahren in den 1. Mai getanzt.
„Ich versuche, wieder zu Kräften zu kommen. Mit meiner Mutter gehe ich dreimal die Woche ins Fitnessstudio und mache leichte Übungen.“
Lebensritter: Können Sie uns kurz Ihre Krankheitsgeschichte erzählen?
Monique Rohe: Ich bin mit einem Gendefekt zur Welt gekommen, dazu noch vier Wochen zu früh und wegen meines Herzfehlers kam ich dann direkt in den Inkubator. Seit dem Kleinkindalter litt ich zudem noch unter Epilepsie – seit frühester Kindheit war ich deshalb regelmäßig beim Neurologen und Kardiologen in der Klinik in Datteln. Ich hatte Lungenhochdruck, war aber mit Tabletten ganz gut eingestellt. Kindergarten und Schule liefen eigentlich normal, obwohl ich natürlich oft krank war. Leider wurde ich auch gemobbt, Kinder können manchmal echt brutal sein. Was aber viel schlimmer war, war das Verhalten mancher Eltern: „Fass die nicht an, sonst steckst du dich noch an“ – wie kann man so etwas zu seinem Kind sagen? Meinen Hauptschulabschluss habe ich geschafft, meine Lehre als Floristin musste ich leider abbrechen, weil ich aufgrund meines Herzfehlers nicht mehr schwer heben konnte. Deshalb habe ich direkt im Anschluss eine Lehre als Bürokauffrau begonnen und auch abgeschlossen. Alles in allem bin ich also normal aufgewachsen, ich war eben nur schnell außer Puste, habe schwer Luft gekriegt und mir wurde schnell schwindelig.
Lebensritter: Und warum wurde die Transplantation notwendig?
Monique Rohe: Es hat alles so gut geklappt, dass ich sogar mit meinem Freund nach Bayern gezogen bin. Aber dann passierte es eines Nachts, dass ich Schweißausbrüche bekam und mein Herz bis in die Zehenspitzen gespürt habe. Sogar im Kopf habe ich das Pochen gespürt! Mit dem Notarzt ging es dann ins Krankenhaus. Mein Puls war zeitweise bei 250. Ich bin dann zurück in die Klinik nach Gießen. Meine Tabletten haben nicht mehr geholfen, Blutplättchen hatten sich in meiner Lunge vermehrt und die Ärzte sagten, ich muss transplantiert werden. Ich habe zugestimmt, denn ich wollte überleben. Mit meiner Unterschrift habe ich alles getan, was ich hätte tun können. Ich habe nur gedacht: Alles, was jetzt passiert, liegt nicht mehr in meiner Hand, ich habe meinen Beitrag geleistet, den Rest müssen andere tun. Kurz vor der Transplantation habe ich mich von allen verabschiedet. Bei so einer OP hängt man ja quasi am seidenen Faden und man weiß nie, ob der Faden hält.
„Ich habe nur gedacht: Alles, was jetzt passiert, liegt nicht mehr in meiner Hand, ich habe meinen Beitrag geleistet, den Rest müssen andere tun.“
Lebensritter: Wann wurden Sie transplantiert?
Monique Rohe: Am 26. Mai 2018. Es war höchste Zeit, den Juni hätte ich nicht mehr überlebt. Es ging mir zusehends schlechter, als ich auf eine Lunge gewartet habe. Und man merkt, wenn es zu Ende geht, wenn der Körper nicht mehr kann. Das kann man wirklich spüren. Nach der OP gab es Komplikationen, sodass ich bis August auf der Intensivstation bleiben musste. Die schlimmen Erfahrungen im Krankenhaus hat mein Kopf gelöscht, ich kann mich an nichts mehr erinnern. Das scheint eine normale Reaktion des Körpers zu sein. Ein Psychologe hat mir gesagt, wenn das Gehirn so etwas macht, dann hat es einen guten Grund. Was geblieben ist, ist der Satz „Wie Phönix aus der Asche“, das kommt mir immer wieder in den Sinn, obwohl ich es nicht einordnen kann. Das muss ich wohl gesagt haben, als ich auf der Intensivstation lag, das haben meine Eltern mir bestätigt. Aber wann genau und warum ich das gesagt habe – keine Ahnung.
Lebensritter: Was ist denn nach der Operation passiert?
Monique Rohe: Es war eine schlimme Zeit. Ich hatte zeitweise so starke Schmerzen, dass ich nicht mehr leben wollte. Nach der OP habe ich wie ein Kartoffelsack im Bett gelegen. Ich konnte noch nicht mal die Augen aufmachen. Und ich wusste nicht mehr, wie man atmet. Das haben Maschinen für mich übernommen. Dann musste auch noch ein Luftröhrenschnitt gemacht werden, dadurch wurden leider die Stimmbänder verletzt. Ich konnte dann auch nicht mehr sprechen. Durch die Immunsuppressiva sind auch noch alle meine Narben aufgegangen, durch die Dialyse habe ich mir eine Thrombose eingefangen. Ich war froh, dass meine Mutter in der Zeit auch in Hannover wohnen konnte – der Verein „Transplantationsbegleitung e. V.“ stellt mit den „Apartments bei den sieben Zwergen“ kostengünstig Unterbringungsmöglichkeiten für Eltern und Angehörige zur Verfügung.
Lebensritter: Trotz dieser schwierigen Zeit haben Sie noch vor Ihrer Transplantation auf Facebook den Blog „Atemlos/Transplantation“ gestartet. Warum?
Monique Rohe: Aus zwei Gründen: Ich wollte meine Familie und meine Freunde auf dem Laufenden halten, ohne dass ich ständig telefonieren muss. Und ich wollte mir alles von der Seele reden – das muss man, sonst wird man bekloppt. Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Follower ich hatte, vielleicht 400 oder so. Meine Mutter meinte kurz vor der Transplantation noch: „Du musst den ganzen Mist überleben. Du hast dann bestimmt 10.000 Follower, wenn du das schaffst.“ So hatte ich ein Ziel. Und so kam es dann auch – mittlerweile habe ich über 35.000 Follower. Es haben sich sogar Leute aus China, aus Australien und Kanada gemeldet. Im Krankenhaus kamen fremde Leute auf mich zu und fragten: „Hey, bist du nicht die Nikki? Du hast doch den Blog auf Facebook.“ Ich werde auf meiner Seite weiter berichten, damit die Leute sehen, wie es weitergeht. Und um zu zeigen: Schaut mal – da war ich und hier bin ich jetzt. Ich bekomme ungeheuer viel positive Resonanz. Wenn ein Betroffener von der Organspende und der Transplantation spricht, ist das wahrscheinlich etwas anderes, als wenn das ein Promi oder so macht.
„Ich wollte meine Familie und meine Freunde auf dem Laufenden halten, ohne dass ich ständig telefonieren muss. Und ich wollte mir alles von der Seele reden – das muss man, sonst wird man bekloppt.“
Lebensritter: Was für Zukunftspläne haben Sie?
Monique Rohe: Den Tag der Transplantation werde ich groß feiern. Dieser Tag ist mir wichtiger als mein eigentlicher Geburtstag. Eine Transplantation ist schließlich wie ein Sechser im Lotto – und wie oft hat man dieses Glück? Ich habe ein neues Leben geschenkt bekommen und jeder, der möchte, kann dabei sein. Ich war noch nie in meinem Leben so gesund bzw. so wenig krank wie jetzt. Ich mache nun meinen Führerschein, und wie ich schon auf Facebook gesagt habe: Leute, pflanzt Gummibäume! Mein Auto steht bereits vor der Tür. Die weiteren Pläne für die Zukunft: wieder alleine wohnen, einen Job finden, einfach wieder selber leben. Ich wurde sehr selbstständig erzogen, doch in der Akutphase meiner Krankheit war es natürlich vorbei mit der Selbstständigkeit. Die möchte ich wiederhaben. Seit November 2017 habe ich ja bis zu meiner Transplantation im Rollstuhl gesessen. Ich konnte gar nichts mehr, auch nicht Zähne putzen, ich habe ja noch nicht mal die Zahnpasta-Tube aufgekriegt. Demnächst werde ich eine Alpaka-Farm besuchen. Ende Mai fahre ich nach Kiel zum Tag der Organspende und seit neuestem bin ich auch Mitglied im BDO, also im Bundesverband der Organtransplantierten.
„Den Tag der Transplantation werde ich groß feiern. Dieser Tag ist mir wichtiger als mein eigentlicher Geburtstag.“
Lebensritter: Wenn das Gespräch auf das Thema Organspende kommt, was sagen Sie Ihrem Gegenüber?
Monique Rohe: Entschließt man sich zu einem Organspendeausweis, kann vielen Menschen geholfen werden. Wenn man über Organspende nachdenkt, sollte man immer im Kopf haben, dass man das nicht nur für sich macht, sondern auch für andere. Ich glaube, das ist auch das Problem – in unserer Gesellschaft ist sich jeder selbst der Nächste. Außerdem haben die Leute Angst, dass man noch nicht tot ist, wenn die Organe entnommen werden. Diese Angst ist verständlich. Das klingt jetzt vielleicht blöd – aber der Organspender ist ja noch „warm“, eben nicht „kalt“ wie eine Leiche. Natürlich ist diese Angst unbegründet. Wenn ich mit Menschen über Organspende spreche, setze ich keinen unter Druck. Ich will niemanden zu etwas zwingen. Ich möchte anregen, über Organspende nachzudenken, darüber, was Organspende bedeutet – für einen selbst und auch für andere.
Wer mehr über Monique Rohe erfahren möchte, klickt einfach auf ihren persönlichen Blog bei Facebook: Atemlos / Transplantation
„Wenn ich mit Menschen über Organspende spreche, setze ich keinen unter Druck. Ich will niemanden zu etwas zwingen.“