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Organspende sollte selbstverständlich sein – Bärbel Bas im Interview

Bärbel Bas, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion für Gesundheit, Bildung und Forschung und Petitionen, engagiert sich bereits seit vielen Jahren für das Thema Organspende. Schon vor langer Zeit hat sie sich „pro Widerspruchslösung“ positioniert. Für die Lebensritter berichtet sie über ihren unermüdlichen Einsatz.

Lebensritter: Wie fanden Sie den Weg in die Gesundheitspolitik und warum machen Sie sich für das Thema Organspende, vor allem für die Widerspruchslösung, stark?


Bärbel Bas: Mein Interesse für die Gesundheitspolitik ist über meinen Berufsweg entstanden. Nach einer Ausbildung als Bürogehilfin bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft wechselte ich intern in die damalige Betriebskrankenkasse des Verkehrsunternehmens. Hier stellte ich schnell fest, dass mir dieses Feld der Gesundheitspolitik sehr gefällt und daher habe ich dann in der Zeit von 1994 bis 1997 eine weitere Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten und später eine Fortbildung zur Krankenkassenbetriebswirtin abgeschlossen. In dieser Zeit ist auch der Wunsch größer geworden, die Gesetze nicht nur anzuwenden, sondern selbst zu gestalten. So bin ich zur Gesundheitspolitik gekommen und es fasziniert mich immer noch.

Mir geht es um eine gute Versorgung für alle. Dazu gehört auch die Organspende, wenn sie notwendig ist. Organspenden retten Leben. Doch obwohl Umfragen zeigen, dass die Spendenbereitschaft in unserer Gesellschaft grundsätzlich sehr hoch ist, gibt es immer noch zu wenige Organspenden. Deswegen setze ich mich schon lange für eine höhere Spendenbereitschaft ein und werbe für die Organspende. Die stärkere Aufklärung in den vergangenen Jahren hat aber nicht den erwünschten Erfolg gebracht.

Wichtig ist es, dass alle Möglichkeiten genutzt werden, um Leben zu retten. Mit der Widerspruchslösung möchte ich den knapp 10.000 Menschen in Deutschland helfen, die noch immer auf ein lebensrettendes Organ warten. Für mich bietet die Widerspruchslösung eine große Chance, mehr Menschen helfen zu können. Diese Chance will ich nutzen. Deshalb setze ich mich seit Jahren für die Widerspruchslösung ein. Damit könnten wir die Zahl der Organspenden sicher am stärksten erhöhen. Zwanzig EU-Länder von insgesamt achtundzwanzig setzen diese Lösung bereits erfolgreich um.

Lebensritter: Was glauben Sie, warum mehr als 80% der Menschen für die Organspende sind, aber nur etwas mehr als ein Drittel der Bevölkerung einen ausgefüllten Ausweis besitzt? Warum fällt vielen diese Entscheidung so schwer?


Bärbel Bas: Ich glaube, dass viele Menschen das Ausfüllen eines Organspendeausweises nicht bewusst ablehnen. Das zeigen ja alle Umfragen. Kinder, Familie, Arbeit – es gibt viele Dinge im Alltag, die uns davon abhalten können, ganz ohne bösen Willen oder Zweifel. Darüber hinaus wollen sich viele Menschen nicht vorrangig mit dem eigenen Tod auseinandersetzen und verdrängen dieses Thema eher.

Hinzu kommt, dass die vergangenen Transplantationsskandale das Vertrauen in die Organspende geschwächt haben. Dieses Vertrauen muss erst wieder zurückgewonnen werden, zum Beispiel durch mehr Informationen wie am Tag der Organspende. Wir müssen den Menschen ihre Ängste nehmen. Für viele Schwerkranke und deren Angehörige kann es auch Hoffnung geben, dass ihre Organe Leben retten und ihr Tod bzw. der Tod eines geliebten Angehörigen damit nicht völlig umsonst ist.

Bärbel Bas (Bild: photothek)

Lebensritter: Wo sehen Sie bei der Aufklärung über die Organspende Verbesserungsbedarf?


Bärbel Bas: Wir müssen den Menschen zeigen, wie wichtig dieses Thema ist. Zum einen durch Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit. Ich werbe beispielsweise regelmäßig in den sozialen Netzwerken für Organspenden. Zum anderen ist es wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte noch stärker über das Thema aufklären. Der Rat und die Meinung der Ärztinnen und Ärzte werden von vielen Menschen sehr ernst genommen. Sie können helfen, Ängste und Unsicherheiten der Menschen abzubauen.

In den wenigsten Krankenhäusern finden sich Ärztinnen und Ärzte, die speziell dafür geschult sind, etwa mit Angehörigen von Verstorbenen über das emotional schwierige Thema Organspende zu sprechen. Für eine bessere Aufklärung müssen die Transplantationsbeauftragten gestärkt werden. Das Thema sollte auch in der Ausbildung der Mediziner eine größere Rolle spielen.

Lebensritter: Wie kann die Bereitschaft zur Organspende gestärkt werden? Welche Rolle spielen die Krankenhäuser dabei?


Bärbel Bas: Die Stärkung der Organspende-Bereitschaft muss einerseits direkt in der Bevölkerung durch ausreichende Information, Aufklärung und Absicherung erfolgen, andererseits bei Ärztinnen, Ärzten und Krankenhäusern direkt ansetzen. Entnahmekrankenhäuser müssen für den erhöhten Aufwand angemessen vergütet werden und ausreichend geschultes Personal zur Verfügung haben.

Deutliche Verbesserungen gibt es hier durch das im April in Kraft getretene Gesetz für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende (GZSO). Damit werden die Transplantationsbeauftragten gestärkt, Entnahmekrankenhäuser für den erhöhten Aufwand besser vergütet. Kleine Krankenhäuser werden unterstützt, potentielle Organspenderinnen und -spender zu identifizieren. Abläufe und Zuständigkeiten werden für den gesamten Prozess der Organspende festgelegt. So wird das Vertrauen potentieller Spenderinnen und Spender in die Abläufe der Organspende gestärkt.

Lebensritter: Was wäre Ihr Idealszenario bezogen auf den Gesamtkomplex Organspende für die Zukunft?


Bärbel Bas: Ich möchte, dass Organspenden in Deutschland eine Selbstverständlichkeit werden. Die Widerspruchslösung ist dafür ein wichtiger Baustein. Sie bestimmt, dass ein Verstorbener automatisch Spender wird, es sei denn, er hat zu Lebzeiten ausdrücklich einer Spende widersprochen. Damit bleibt die vollständige Entscheidungsfreiheit der Menschen erhalten, die bürokratischen Hürden werden jedoch abgebaut. Entscheidend ist, dass sich jede und jeder Einzelne mit der Frage einer Organspende beschäftigt und entscheidet, ob sie oder er Organe spenden möchte. Ich halte das bei knapp 10.000 Menschen, die auf ein Spenderorgan warten für zumutbar.

Das geplante Register, in dem alle Bürgerinnen und Bürger ihre Erklärung zur Organ- und Gewebespende eintragen können, ermöglicht es unkompliziert die eigene Entscheidung zu dokumentieren. Es soll bei einer staatlichen Behörde angesiedelt werden. Ärztinnen und Ärzte, die eine Organ- oder Gewebeentnahme vornehmen, werden verpflichtet zu prüfen, ob eine Erklärung der möglichen Spenderinnen und Spender vorliegt. Damit eine Erklärung jederzeit widerrufen oder geändert werden kann, aber auch damit die Ärztinnen und Ärzte im gegebenen Fall eine sofortige Anfrage an das Register stellen können, wird das Register 24 Stunden/7 Tage verfügbar sein.

Lebensritter: Welche Botschaft möchten Sie den Lesern dieses Interviews mitgeben?


Bärbel Bas: Organspenden retten Leben. Sie sollten eine Selbstverständlichkeit sein. Darum möchte ich alle Leserinnen und Leser bitten, sich mit der Frage der Organspende zu beschäftigen und auch mit ihren Angehörigen und Freunden über dieses Thema zu sprechen.

Lebensritter: Herzlichen Dank für Ihre Zeit.

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