Norman Brühl lebt seit 2021 mit einer Spenderlunge. Er hatte Glück, wie er selbst sagt, denn er musste nur sieben Wochen auf ein passendes Spenderorgan warten. Durch die Organspende wurde ihm ein neues Leben geschenkt. An seinen unbekannten Retter denkt er jeden Tag.
Lebensritter: Sie haben am 31. August 2021 eine Spenderlunge erhalten. Wie geht es Ihnen aktuell und wie hat die Transplantation Ihr Leben beeinflusst?
Norman Brühl: Ich fühle mich im Moment sehr gut mit dem neuen Spenderorgan. Meine Lebensqualität hat sich deutlich verbessert. Ich bekomme wieder Luft ohne externe Sauerstoffzufuhr, ich kann mit meinem kleinen, zweieinhalbjährigen Sohn auf dem Spielplatz in der Natur spielen und muss ihm nicht mehr sagen, dass der Papa das nicht kann. Alltägliche Dinge, die mir vorher schwerfielen, kann ich jetzt wieder mit einer gewissen Leichtigkeit meistern. Ich habe durch die Transplantation ein neues Leben geschenkt bekommen.
Lebensritter: Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie ein Spenderorgan benötigten?
Norman Brühl: Im August 2020 erhielt ich die Diagnose, dass ich unter idiopathischer Lungenfibrose leide. Idiopathisch bedeutet in diesem Fall, dass man nicht genau weiß, woher die Erkrankung kommt. [Anmerkung Lebensritter: Bei einer Lungenfibrose verlieren u.a. die Lungenbläschen ihre Funktion. Die Sauerstoffaufnahme und der Sauerstoffaustausch sind mit fortschreitender Krankheit zunehmend eingeschränkt und die Atmung deutlich erschwert.]
Nach der Diagnose wurde mir externer Sauerstoff verordnet, den ich auch brauchte. Am Anfang waren es drei Liter pro Minute. Ich hatte zuhause einen großen Tank mit Sauerstoff. Aus diesem Tank konnte ich mir den Sauerstoff in meinen tragbaren Rucksack abfüllen. Im Dezember 2020 begann ich dann eine Reha in Bad Reichenhall. Hier verbesserte sich meine Lungenfunktion sogar wieder. Und so konnte ich bis März 2021 relativ gut leben, ich war auch noch berufstätig. Zwischendurch hatte ich im Klinikum Nürnberg immer wieder Untersuchungen und bekam Tabletten verschrieben, die die Krankheit verlangsamen sollten – eine Lungenfibrose ist allerdings nicht heilbar.
„Aus diesem Tank konnte ich mir den Sauerstoff in meinen tragbaren Rucksack abfüllen.“
Lebensritter: Wie ging es dann weiter?
Norman Brühl: Im März 2021 stand ein Termin in München Großhadern an, bei dem ich meine letzten Befunde der Voruntersuchungen für eine mögliche Transplantation vorlegen sollte. Ab diesem Zeitpunkt verschlechterte sich mein Zustand, in den darauffolgenden vier Monaten verlor ich 18 Kilo Körpergewicht. Also fuhr ich im Juli wieder in die Klinik in München, weil es mir so schlecht ging. Dort wurde ich sofort für eine Transplantation gelistet, ich vermute als Hochdringlichkeitsfall, genau weiß ich es aber gar nicht mehr. Erstmal ging es dann wieder nach Hause zu meinen Eltern, bei denen ich mittlerweile wohnte.
„Also fuhr ich im Juli wieder in die Klinik in München, weil es mir so schlecht ging.“
Lebensritter: Wie lange mussten Sie ab diesem Zeitpunkt auf ein Spenderorgan warten?
Norman Brühl: Ich hatte sehr viel Glück und wartete nur sieben Wochen. Am 31. August 2021 gegen 17 Uhr am späten Nachmittag kam der erlösende Anruf aus der Klinik in München, man habe ein passendes Organ für mich gefunden. Meine Eltern fingen natürlich sofort an zu weinen, weil sie ja auch ein wenig Angst vor der Operation hatten. Ich freute mich, war aber gleichzeitig erst mal wie versteinert am Telefon. Anderthalb Stunden später kam der Rettungswagen und brachte mich mit Blaulicht in die Klinik. Ganz früh, gegen 0:30 Uhr lag ich dann im Operationssaal und mein neues Leben konnte beginnen. Vier Stunden und zehn Minuten dauerte die Operation und danach brauchte ich keine künstliche Beatmung durch die ECMO [Anmerkung Lebensritter: ein ECMO-Gerät ist eine künstliche Lunge. Es gleicht technisch einer Herz-Lungen-Maschine und übernimmt teilweise oder vollständig die Atemfunktionsleistungen für den Menschen].
„Ich hatte sehr viel Glück und wartete nur sieben Wochen.“
Lebensritter: Denken Sie oft an Ihre Spenderin bzw. Ihren Spender?
Norman Brühl: Ich denke täglich an meinen Spender und an die Familie des Spenders. Zu Weihnachten habe ich eine Kerze ins Fenster gestellt, um meinem Spender zu gedenken – ohne ihn wäre mein Leben zeitnah vorbei gewesen. Ich werde mein Organ immer in Ehren halten und es pflegen, diesen Respekt sollte ich mindestens meinem unbekannten Lebensretter entgegenbringen. Ich habe auch einen Dankesbrief an die Spenderfamilie geschrieben – wegen der in Deutschland geltenden Regelungen natürlich alles anonym – und würde mich über eine Antwort natürlich unfassbar freuen!
Lebensritter: Wie gehen Sie mit Corona um?
Norman Brühl: Ich bin dreimal geimpft und achte sehr auf die Einhaltung der AHA-Regeln. Dennoch traf mich am 16. März 2022 eine Corona-Infektion. Zum Glück hatte ich bloß mit mildem Schnupfen zu kämpfen und sonst keinerlei Symptome. Der positive PCR-Test wurde in der Klinik bei meinem Nachsorge-Termin gemacht. Dort bekam ich gleich über vier Tage hinweg Infusionen (Antikörper und Remdesivir) sowie Tabletten und stand natürlich unter Beobachtung.
Ich persönlich kann die Lockerungen der Bundesregierung im Bezug auf Corona für uns Risikogruppen sehr schwer nachvollziehen. Die Inzidenzen sind nach wie vor sehr hoch und man hätte wenigstens die Maskenpflicht beim Einkaufen aufrechterhalten können. Aber jetzt müssen wir Risikopatienten eben noch mehr aufpassen.
Lebensritter: Sprechen Sie oft über das Thema Organspende?
Norman Brühl: Im familiären Umfeld schon, in der Freizeit eher selten, obwohl ich das Thema Organspende sehr wichtig finde und ich gerne mehr Aufklärung betreiben würde.
Lebensritter: Was wünschen Sie sich rund um das Thema Organspende in Deutschland?
Norman Brühl: Generell müssen die Menschen mehr aufgeklärt werden, das ganze Thema muss transparenter werden. Es gibt klare Richtlinien bei der Vergabe von Organen und das sollte den Menschen auch nähergebracht werden – viele denken, beim Thema Organspende gehe es nicht mit rechten Dingen zu.
Zudem wäre ich dafür, schon in der Schulzeit darüber aufzuklären. Betroffene könnten zum Beispiel an Schulen von ihrem Leidensweg und ihrer Transplantation berichten und Fragen beantworten. Am liebsten wäre mir eine gesetzliche Lösung wie in Österreich, wo man automatisch Organspender ist bzw. einer Organspende aktiv widersprechen muss.
„Generell müssen die Menschen mehr aufgeklärt werden, das ganze Thema muss transparenter werden.“